Wenn alle wissen: es ist Zeit zu gehen – nur der Chef will nicht zurücktreten
Shownotes
Was tun, wenn Loyalität zur Schwäche wird – und niemand sich traut, es auszusprechen?
In vielen Familienunternehmen ist der Gründer Identifikationsfigur und Leitbild – bis seine Führungsfähigkeit nachlässt, er aber nicht loslässt. Diese Episode zeigt, warum ein verzögerter Rückzug gefährlich ist, wie typische Warnsignale aussehen und mit welchen Strategien ein sanfter, aber klarer Führungswechsel gelingen kann – ohne das familiäre Fundament zu beschädigen.
Schlüsselerkenntnisse der Episode
- Alter ist kein Problem – aber mangelnde Übergabebereitschaft schon. Fehlentscheidungen und Blockaden kosten Vertrauen und Zukunftsfähigkeit.
- Familien brauchen klare Kriterien, um „Fähigkeit“ und „Gefährdung“ ehrlich voneinander zu unterscheiden.
- Neutrale Instanzen, strukturierte Parallelmodelle und alternative Ehrenrollen ermöglichen einen würdevollen Rückzug.
Vorteile für den Zuhörer
- Verstehen Sie, wie Sie einen drohenden Führungsstillstand rechtzeitig erkennen und auflösen können.
- Lernen Sie, welche Maßnahmen aus anderen erfolgreichen Familienunternehmen einen sanften Übergang möglich machen.
- Erkennen Sie, wie Sie emotionale Loyalität und unternehmerische Verantwortung in Einklang bringen – zum Schutz der Familie und des Betriebs.
Links Zur Homepage von Schiede, Hülsbeck und Partner Zum LinkedIn-Profil von Dr. Christian Schiede
Transkript anzeigen
Wenn alle wissen: es ist Zeit zu gehen -
nur der Chef will nicht zurücktreten
Wenn der Gründer oder die prägende Unternehmerpersönlichkeit eines
Familienunternehmens zu schwach zum Führen wird, aber nicht weichen will,
entsteht eine existenzielle Bedrohung.
Fehlentscheidungen, Veränderungsblockaden und Vertrauensverluste
destabilisieren Familie und Unternehmen dauerhaft.
Dieser Beitrag zeigt, wie Familienunternehmen die feine Linie zwischen „alt, aber
fähig“ und „alt und beeinträchtigt“ erkennen – und welche Strategien einen
sanften, aber wirkungsvollen Führungsübergang ermöglichen.
Ein stilles Risiko mit enormer Sprengkraft
Es gibt eine ungeschriebene Regel in Familienunternehmen: Loyalität und Respekt
vor der Erfahrung der älteren Generation. Doch was passiert, wenn eine alternde
Führungskraft – oft der Gründer oder eine prägende Unternehmerpersönlichkeit –
nicht mehr in der Lage ist, das Unternehmen souverän zu steuern?
Ein geschwächter Chef trifft Fehlentscheidungen, blockiert Innovationen oder
gefährdet durch inadäquates Verhalten das Vertrauen von Mitarbeitern und
Geschäftspartnern. Der Übergang von einem starken zu einem beeinträchtigten
Leader ist oft schleichend – und genau das macht ihn so gefährlich. Die Familie und
das Unternehmen stehen dann vor einer doppelten Herausforderung: Wie kann der Schaden begrenzt werden, ohne das familiäre Fundament zu
zerstören?
Beispiel: Der fatale Kontrollverlust des Paten
Andrew Russo, das Oberhaupt der Colombo-Mafia-Familie, regierte seine „Firma“
jahrzehntelang mit Disziplin und Kontrolle. Doch mit 87 Jahren verlor er den
Überblick, wurde unvorsichtig – und wurde schließlich verhaftet. Während Russo
kein klassischer Familienunternehmer war, ist das Muster jedoch ähnlich und leider
nur allzu bekannt: Eine einst starke Führungskraft hält am Status quo fest und
ignoriert die Zeichen der Zeit. Bis es zu spät ist - ein Schelm wer hier an "HARIBO"
denkt.
In Familienunternehmen gibt es zu oft keine starke und unabhängige Instanz die den
geschäftsführenden Gesellschafter entlassen kann - leider kommen auch viele
Beiräte hier an ihre Grenzen. Doch was tun, wenn der Eigentümer selbst zum
Unternehmensrisiko wird?
Wie erkennt man die Grenze zwischen „alt, aber
fähig“ und „alt und beeinträchtigt“?
Nicht jeder Unternehmer muss mit 65 automatisch abdanken. Erfahrung und
Weitsicht sind oft unschätzbare Ressourcen und viele sind länger fitter als früher.
In unserer Arbeit haben wir gelernt auf folgende Warnsignale zu achten:
●
Kognitive oder physische Einschränkungen : Gedächtnisverlust,
Verwirrung oder mangelnde Konzentration.
●
Unangemessene Entscheidungen : Fehlende Risikobewertung,
Fehlinvestitionen oder Vertragsverletzungen.
●
Verlorene Autorität : Führungskräfte, Mitarbeiter und Geschäftspartner
nehmen "den Alten" nicht mehr ernst oder umgehen ihn.
●
Blockadehaltung : Verweigerung von Innovationen oder
Nachfolgediskussionen.
●
Konflikte in der Familie : Eskalierende Auseinandersetzungen mit der Next
Gen oder anderen Gesellschaftern.
Wenn eines oder mehrere dieser Symptome auftreten, ist schnelles und
strategisches Handeln gefragt.
Strategien für einen sanften, aber effektiven
Übergang
Es gibt unserer Erfahrung nach keinen „perfekten Moment“ für einen Rücktritt, aber
es gibt Wege, einen geordneten Übergang zu gestalten.
1. Eine neutrale Instanz als Vermittler einbinden
Wenn ein geschwächter Unternehmer sich gegen eine Veränderung wehrt, sind
direkte Familiengespräche oft nicht zielführend. Ein unabhängiger Dritter – sei es ein
erfahrener Familienberater, ein Beiratsmitglied oder ein langjähriger Vertrauter –
kann helfen, Brücken zu bauen und eine lösungsorientierte Diskussion zu
ermöglichen.
2. Parallelstrukturen aufbauen Falls ein direkter Machtwechsel nicht durchsetzbar ist, kann ein
„Schattenmanagement“ geschaffen werden.
In der Praxis bedeutet das:
●
Enge Begleitung von Entscheidungen durch ein informelles
Führungsteam .
●
Next-Gen-Gremien , die strategische Weichenstellungen vorbereiten.
●
Selektive Delegation von Verantwortlichkeiten, um kritische
Unternehmensprozesse abzusichern.
3. Eine neue Rolle für den scheidenden Unternehmer schaffen
Oft klammern sich ältere Unternehmer nicht an die operative Kontrolle, sondern an
ihre Identität als „Leader“. Ein bewährter Ansatz ist es, eine neue Übergangsrolle wie
"
Ehrenpräsident/-vorsitzender " oder ähnliches zu definieren, die Anerkennung
sichert, ohne dass weiterhin kritische Geschäftsentscheidungen treffen.
4. Aufsichts- und Führungsgremien weiterentwickeln, bevor es
brennt
Prävention ist der beste Schutz. Klare Regeln zu Amtszeiten,
Leistungsüberprüfungen und Entscheidungs-Mechanismen schaffen ein
strukturiertes Rahmenwerk, das unnötig Eskalation verhindert.
Best Practice: Unternehmen wie Würth oder IKEA haben eine sanfte Transition
erfolgreich gemeistert. Ingvar Kamprad, der Gründer, blieb bis ins hohe Alter involviert, übergab aber schrittweise Macht an die nächste Generation – ohne sein
Gesicht zu verlieren.
Der Klügere gibt ab - die Salami-Taktik macht's
möglich
Das Festhalten an der Macht wird das erfolgreichste Familienunternehmen und
die Familie irreparabel schädigen.
Mit einem strategischen weitsichtigen und emotional einfühlsamen Ansatz kann
ein würdevoller Übergang gelingen – zum Wohle aller Beteiligten.
Familienunternehmen müssen sich fragen: Haben wir die richtigen Strukturen, um
mit dieser Herausforderung umzugehen? Oder warten wir, bis die Krise uns zum
Handeln zwingt und sind wir dann auch bereit, den materiellen und emotionalen
Preis zu bezahlen?
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